Gesangstrainer-Bewertungen ESC 2024: Der Gewinner ist ein Pseudo-Opernsänger mit französischem Tutu und langen silbernen Nägeln

Die Eurovision-Party in Malmö ist vorbei und Nemo aus der Schweiz wurde mit seinem Song „The Code“ zum diesjährigen Gewinner gewählt. Wie gut war der Siegersong stimmtechnisch und welche anderen Songs aus dem Finale ragten meiner Meinung nach heraus? Ich, Gesangstrainer Florian Voss, wollte in diesem Rezensionsartikel darüber nachdenken. 

Schweden (9. im Finale): Marcus und Martinus mit „Unforgettable“

Ich bin der Meinung, dass wir natürlich mit unserem schwedischen Beitrag beginnen müssen. Das erste, was mir auffiel, war, dass sich ihr Live-Auftritt von der Aufnahme unterschied. Die Stimmen hatten mehr „Vibrato“ und fühlten sich im Mikrofon stärker an. Man hat den Eindruck, dass sie seit dem Melodifestivalen ein wenig an der Stimme gearbeitet haben. Ansonsten ein stabiler Auftritt, aber unpersönlich und wenig Emotionen, was für schwedische Auftritte Standard ist. Es gibt nicht viel Tiefe oder weitere „Geschichte“ im Song, aber hauptsächlich geht es darum, zu beeindrucken und dass man cool wirken soll. 

Nemo aus der Schweiz hat den Eurovision Song Contest 2024 gewonnen. Foto: Corinne Cumming / EBU

Schweiz (1): Nemo mit „The Code“

Hier gab es in dem Lied eine „Geschichte“ im Vergleich zu Schweden, wo Nemo eine einzigartige und schöne Popstimme hat, die gut gemischt klingt. Jeder Mann auf der Welt hat etwas, das er braucht Falsett, auf Englisch: falsche männliche Stimme. Nemo setzt es intelligent bei bestimmten Gelegenheiten ein, wenn es wie eine Oper klingen soll. Aber seine Hauptstimme/Falsettstimme ist eher eine weiche und kräftige Falsettstimme, als es ein Opernsänger eigentlich könnte. Dies sorgte in Kombination mit seiner guten „Geschichte“ und seiner Stimme für einen guten Effekt in der Aufführung. Allerdings muss man sagen, dass es beim Ausfahren der Kamera ein wenig so klingt, als ob der Hintergrundgesang seine Stimme übernommen hätte. Es ist also unklar, ob der Tontechniker entweder seinen Beruf nicht kennt oder ob er bei der tatsächlichen Aufführung nicht tatsächlich mit diesen hohen Tönen live gesungen hat. 

Spanien (22): Zorra mit „Nebulossa“

„Out of pitch“ und man konnte den Solisten kaum hören. Vor einem Jahr war der Beitrag Spaniens viel besser und an das angepasst, was Spaniens Popmusikkultur wirklich bedeutet, in Form von viel Tanz, Gesang und oft vielen Einflüssen körperlicher Liebe. Nun fragt man sich, was mit Spanien passiert ist? Was die Gesangstechnik angeht, könnte Gunilla Persson den Song zehnmal besser machen. 

Israel (5): Eden Golan mit „Hurricane“

Israel hatte ein schönes Lied. Es hatte eine tiefere Bedeutung und eine positive Ausstrahlung, wobei die Hauptbedeutung des Liedes darin bestand, zu heilen. Es hatte keine Aggressionen, aber es hatte Wärme

und sie sang mit einer guten und starken Stimme. Die Musik soll berühren können und das ist der Komposition selbst gelungen. Es sind wir Menschen, die Dinge wie Musik in unterschiedlichen Kontexten in einen Kontext setzen, aber wenn man sich nur die Komposition und den Gesang anhört, war es sehr schön. 

Bambie Thug aus Irland. Foto: Sarah Louise Bennet / EBU

Irland (6): Bambie Thug mit „Doomsday Blue“

Gesangstechnik viel fortgeschrittener als beispielsweise Schweden und auch Nemos Siegerlied. Irland bot nicht nur eine Bühnenshow, sondern auch Horror und Geschrei. Es ist sehr schwierig, in der richtigen Tonhöhe und Tonhöhe zu singen, damit es gut klingt, wenn man Schreien simulieren möchte. Sie hat eine feine Technik und als sie Pop sang, bekam sie einen ganz anderen neutralen Klang und ihr lyrisches Timbre kam zum Vorschein.

Weitere hervorzuhebende Beiträge mit besonders feiner Stimmtechnik

Deutschland (12): Isaak mit „Always on the Run“, Lettland (16): Dons mit „Hollow“ und Italien (7): Angelina Mango mit „La noia“. Alle drei hatten starke Stimmen und zeigten bei ihren Auftritten viel Emotion. Meistens wurde mit Bruststimme und gemischter Stimme gesungen, was beispielsweise Marcus und Martinus fehlt. 

Zusammenfassung ESC 2024

Es geht immer mehr um Show, Aussehen, Meinungspolarisierung und Kleidungsstil als um einen guten Auftritt mit qualitativ guter Gesangstechnik. Man überzeugt nicht in erster Linie durch eine formale Ausbildung und ein Lied mit einer guten „Story“, sondern durch lange Nägel in Silber und ein französisches Tutu – Oberflächlichkeiten, kurz gesagt. Was Gesang und Komposition angeht, gibt es meiner Meinung nach ein wenig Unverständnis. Das macht sich nicht zuletzt daran bemerkbar, dass diejenigen mit starken Stimmen nicht die meisten Punkte von der Jury erhielten. 

Einige abschließende Fragen, über die es sich lohnt nachzudenken:  

Wo steht die Qualität von Musik und Gesang und wer entscheidet wirklich, was guter Gesang und gute Musik ist? Sind es wir als Publikum, die durch äußere Faktoren beeinflusst werden, oder ist es eine Jury, die selbst nicht über ausreichende Kenntnisse in der Gesangspädagogik verfügt? Wenn man sich die schwedische Jury ansieht, ist es völlig logisch, dass sie nur nach ihrem etwas eingeschränkten Hintergrund urteilt, aber wo bleibt die Objektivität?

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